In Anlehnung an die bisher schon verabschiedeten Standards „Kriterienkatalog Softwareauswahl – allgemeiner Bereich“ und „Handbücher für Softwareanwender“ ist hier ein Kriteriengerüst für den Bereich der Fristen, Termine und Wiedervorlagen in Rechtssoftware erarbeitet worden. Schwerpunkt sind dabei Anwaltsprogramme; der Kriterienkatalog ist jedoch auch für andere rechtliche Bereiche anwendbar.

Als Voraussetzung wird unterstellt, daß eine rein elektronische Führung der Daten erfolgen und ein manuell (auf Papier) geführter Fristenkalender entbehrlich wird.

Da die Einbindung von EDV-technischen Verfahren in eine Organisationsstruktur auf vielfältige und sehr individuelle Weise erfolgen kann, beschränkt sich der Kriterienkatalog auf die Anforderungen an die Informationstechnik, welche die Voraussetzungen für eine effiziente Einbindung in die jeweilige Organisation bereitstellen muß.

Allgemeine Anforderungen wie ein übersichtlicher Fensteraufbau oder eine effiziente Benutzerführung werden nicht aufgeführt, da sie aufgrund der Anforderungen der Softwareergonomie zum gewöhnlichen Gebrauch aller Programme gehören. Auch die Anforderungen des Standards „Kriterienkatalog Softwareauswahl – allgemeiner Bereich“ werden nicht erneut aufgenommen.

Bei den Kriterien wird unterschieden zwischen einem Pflichtbereich, der die üblichen Anforderungen (des gewöhnlichen Gebrauchs) wiedergibt und den Mangelbegriff ausfüllen kann, und einem Kürbereich, der die über diesen Grundumfang hinaus gehenden Merkmale zusammenfaßt, die zu einer besseren Benutzerunterstützung und mehr Komfort führen. Ferner wird eine Aufteilung nach Informationen und Operationen vorgenommen; unter Informationen werden die Daten genannt, die von einem System zu speichern sind; die Operationen arbeiten mit Hilfe dieser Informationen.

Kriterienkatalog Fristen, Termine und Wiedervorlagen in Rechtssoftware

1 Pflicht

Es wird unterstellt, daß ein Aktenbezug hergestellt werden kann; falls es sich um ein eigenständiges Modul handelt, muß eine entsprechende rudimentäre Aktenverwaltung vorgesehen sein, um eine vollständige EDV-Führung zu ermöglichen.

1.1 Informationen
Datums- und Uhrzeitangaben sollten grundsätzlich auf Gültigkeit geprüft werden; es sollten aussagekräftige Fehlermeldungen erfolgen. Textfelder sollten mindestens 60 Zeichen lang sein.

1.1.1 Genaufrist
Hierunter werden alle gesetzlichen und in der Regel nicht verlängerbaren Fristen verstanden, deren Beginn und Ablauf vorgegeben und fest definiert sind. Zu jeder Frist sollten der Sachbearbeiter, eine Vorfrist, eine Erläuterung/Grund sowie die Erledigung speicherbar sein. Diese Fristen müssen auch nach dem Verstreichen gespeichert werden, um die Abläufe dokumentieren zu können.

1.1.2 Frist
Eine Frist (Schriftsatz- oder Leistungsfrist) ist ein von dritter Seite vorgegebener Zeitpunkt, zu dem eine bestimmte Leistung (z. B. Erstellung Schriftsatz) erfolgen soll. Es sollte ebenfalls ein Sachbearbeiter und ein Erläuterungsfeld vorgesehen werden. Ferner sollten auch mindestens eine Vorfrist (für Planungszwecke) sowie die Erledigung abgelegt werden können.
Diese Zeitpunkte sollten auch nach dem Verstreichen gespeichert werden, um die Abläufe dokumentieren zu können.

1.1.3 Wiedervorlage
Eine Wiedervorlage ist ein frei bestimmbarer Zeitpunkt, zu dem eine Akte/Vorgang wieder zur Bearbeitung vorgelegt werden soll. Zu jeder Wiedervorlage sollen ein Grund und die Erledigung gespeichert werden; für jeden Vorgang/Akte sollten mindestens zwei Wiedervorlagen gespeichert werden.

1.1.4 Termin
Termine sollten mit folgenden Informationen gespeichert werden können:
  • Art (zumindest Gerichtstermin, Behördentermin, Besprechungstermin)
  • Datum und Uhrzeit
  • Vor- und Nachbereitungszeit (Wegstrecke)
  • Aktenbezug
  • Ort (Institution und Raum)
  • Sachbearbeiter
  • Erläuterungsfeld (z. B. Wahrnehmung/Nichtwahrnehmung eines Termins)
  • Reservierung eines Termins
  • Daneben sollten folgende Eintragungsmöglichkeiten bestehen:

  • Kennzeichnung für Urlaubs- und andere Sperrzeiten
  • Kenntlichmachung von freien Tagen (Wochenende, Feiertage, Urlaub)
  • 1.1.5 Elektronische Dokumentation
    Zu jeder Eintragung sollte das Datum, die Uhrzeit und die Person gespeichert werden, die die Frist/Wiedervorlage/Termin erstmalig eingibt oder verändert.

    1.1.6 Standardtexte
    Es sollte die Möglichkeit bestehen, Standardtexte zur Erläuterung von Fristen, Wiedervorlagen und Terminen hinterlegen zu können, die einfach dem jeweiligen individuellen Eintrag hinzugefügt werden können.

    1.2 Operationen

    1.2.1 Notizfunktion
    Eintragungen sollten in mindestens zwei Stufen rückgängig gemacht werden können.

    Eintragungen sollten nach spätestens einer Minute auf allen anderen Arbeitsplätzen sichtbar werden (ohne das manuelle Anstoßen einer Aktualisierung).

    1.2.2 Übersicht/Darstellung von Fristen
    Grundsätzlich sollten alle Informationen aus diesem Programmbereich an allen Arbeitsplätzen abrufbar sein.

    Es sollte eine Selektion zumindest nach folgenden Kriterien möglich sein:

  • Mandant/Auftraggeber (soweit diese Information in der Aktenverwaltung verfügbar ist)
  • Referat (soweit diese Information in der Aktenverwaltung verfügbar ist)
  • Sachbearbeiter (soweit diese Information in der Aktenverwaltung verfügbar ist)
  • Einzel-/Bereich Datum (auch mit offenem Anfangsdatum)
  • Einzel-/Bereich Aktennummer (Registernummer)
  • Einzel-/Bereich Gegner (soweit diese Information in der Aktenverwaltung verfügbar ist)
  • Folgende Sortiermöglichkeiten sollten bestehen:

  • Aktennummer
  • Termine
  • Termine nach Sachbearbeitern
  • Es sollten Seitenwechsel vorgesehen werden, die sich nach der Sortierung richten (z. B. bei Änderung des Termins oder des Sachbearbeiters).

    1.2.3 Übersicht/Darstellung von Wiedervorlagen
    Diese Darstellung sollte getrennt von den Fristen und Terminen erfolgen können. Die Selektions- und Sortierkriterien entsprechen den Fristen-Anforderungen; hinzu kommen die Selektion nach erledigten Wiedervorlagen und nach dem Wiedervorlagegrund (sinnvoll bei Mahnungen/Lohnsteuerpfändungen).

    1.2.4 Übersicht/Darstellung von Terminen
    Es sollte eine kalendermäßige/grafische Darstellung erfolgen, die tageweise gegliedert ist. Der Kalender sollte zumindest 15 Minuten Auflösung bieten.

    Folgende Selektionsmöglichkeiten sollten vorgesehen werden:

  • Einzel-/Bereich Datum
  • Benutzer/alle Benutzer
  • Akte
  • Es sollte eine Möglichkeit bestehen, die Termine mit allen gespeicherten Informationen anzuzeigen. Ferner sollten folgende Möglichkeiten bestehen:

  • Feststellung eines gemeinsamen freien Termins für alle Personen (gleichzeitige Darstellung von Tagen und Personen)
  • Anzeige aller freien Termine für Zeitraum
  • Nur Gerichts-/Besprechungstermine
  • Raumbelegungen
  • Gesamtübersicht
  • Seitenwechseloptionen
  • 1.2.5 Addition von Tagen zum Tagesdatum
    Die Software sollte automatisch eine bestimmte Anzahl von Tagen zum Tagesdatum addieren können; dabei sollte einstellbar sein, ob Wochenende/Feiertage gemäß § 193 BGB berücksichtigt werden sollen.

    1.2.6 Bearbeitung von Wiedervorlagen
    Erledigte Wiedervorlagen sollten einfach gelöscht werden können, wenn keine elektronische Dokumentation eingesetzt werden soll.

    1.2.7 Auswertungen
    Es sollte eine Funktion zur Verfügung stehen, die alle Akten ohne Wiedervorlagen anzeigt.

    1.2.8 Bearbeitung des Standardtext-Katalogs
    Vorgegebene Texte sollten bearbeitet und neue Einträge (mindestens 60 Zeichen pro Eintrag) vorgenommen werden können. Die Verwendung von Kürzeln entspricht nicht mehr dem Stand der Softwareergonomie.

    1.2.9 Absicherung bei Systemausfall
    Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, daß bei Ausfall einer Systemkomponente eine Ausdruckmöglichkeit der Termine, Fristen und Wiedervorlagen besteht. Dies kann in einem Netzwerk z. B. dadurch erreicht werden, daß auf einem Arbeitsplatzrechner eine Kopie dieser Daten tageweise abgelegt wird. Bei Ausfall des Servers oder des Netzwerkes kann dann dieser Einzelplatz dazu genutzt werden, die Listen auszudrucken.

    Daneben sind auch weitere Sicherungsmaßnahmen möglich, die eine höhere Verfügbarkeit des Netzwerkes sicherstellen. Ein Totalausfall des gesamten Netzwerkes (z. B. durch einen Überspannungsschaden oder ein Feuer) wird einem Brand in einer papiergeführten Kanzlei gleichgesetzt, für den keine besonderen Vorkehrungen getroffen zu werden brauchen.

    2 Kür

    2.1 Informationen

    2.1.1 Speicherung von Uhrzeiten zu Fristen und Wiedervorlagen

    2.1.2 Mehrere Wiedervorlagen
    Mehr als zwei Wiedervorlagen unterstützen komplexere Abläufe und sind Voraussetzung für die Führung einer elektronischen Dokumentation.

    2.1.3 Speicherung von Wiedervorlagen
    Die Speicherung der Wiedervorlagen ist zur vollständigen elektronischen Dokumentation eines Bearbeitungsablaufes notwendig.

    2.1.4 Elektronische Dokumentation
    Für Wiedervorlagen sollte ein „Erledigt-Kennzeichen“ vorgesehen werden.
    Das Löschen bzw. die Erledigung von Fristen können mit besonderen Berechtigungen verknüpft werden.

    2.1.5 Wiederkehrende Termine
    Es sollte eine komfortable Eingabemöglichkeit für regelmäßig wiederkehrende Termine (z. B: Überwachung von schuldnerseitigen Ratenzahlungen) eingerichtet sein.

    2.1.6 Speicherung von Terminen
    Zur Dokumentation von Abläufen sollten Termine auch nach dem Verstreichen gespeichert werden können.

    2.1.7 Termine mit Personenbezug
    Falls Termine nicht nur zur Akten-bezogen, sondern auch Benutzer-bezogen gespeichert werden können, verbreitert sich das mögliche Anwendungsfeld.

    2.1.8 Verwaltung von Ressourcen
    Zu Ressourcen zählen z. B. Räume oder bestimmte technische Einrichtungen, deren geregelte Benutzung für den Kanzleiablauf wesentlich ist. Die wichtigste Anwendung ist die Belegung von Besprechungsräumen, die Kalender- und Uhrzeiten-gestützt erfolgen sollte. In der Ressourcenübersicht sollten Überschneidungen unmittelbar deutlich hervorgehoben werden, damit der Benutzer auf diesen Konflikt reagiert.

    2.1.9 Eingabemöglichkeit von Langtexten
    Zu Fristen, Wiedervorlagen und Terminen kann eine Langtexteingabe (mindestens 1000 Zeichen) bereit gestellt werden.

    2.2 Operationen

    2.2.1 Eingabe von Fristen mit Vorfristen
    Es kann eine abgekürzte Eingabemöglichkeit für die Eintragung von Standardfällen mit automatischen Vorfristen vorgesehen werden.

    2.2.2 Erweiterte Übersicht/Darstellung von Fristen
    Zusätzlich können folgende Selektionen vorgesehen werden:

  • Mandanten-Bereich (soweit diese Information in der Aktenverwaltung verfügbar ist)
  • Alle bis heute (abgekürzte Eingabemöglichkeit für diesen Bereich)
  • Sachbearbeiterbereich
  • 2.2.3 Erweiterte Übersicht/Darstellung von Wiedervorlagen

    Zusätzlich können folgende Selektionen vorgesehen werden:

  • Alle bis heute (abgekürzte Eingabemöglichkeit für diesen Bereich)
  • Erledigte Wiedervorlagen
  • Zukünftige Wiedervorlagen zu einer Wiedervorlage
  • Sachbearbeiterbereich
  • 2.2.4 Erweiterte Übersicht/Darstellung von Terminen
    Die Auflösung des Terminkalenders kann einstellbar gestaltet werden.

    2.2.5 Automatische Wiedervorlagen
    Es sollte möglich sein, turnusmäßige Wiedervorlagen (wöchentliche, monatliche etc.) eintragen zu können.

    2.2.6 Erinnerungsfunktion
    Zu Fristen und Terminen kann eine Erinnerungsfunktion vorgesehen werden, die den betroffenen Benutzer pünktlich oder einen einstellbaren Zeitraum vorher an den Termin erinnert.

    2.2.7 Eingrenzung der Benutzerberechtigungen
    Die Benutzerberechtigungen können einstellbar gestaltet werden; insbesondere bietet sich hier Beschränkung der Eintragung von Genaufristen auf bestimmte Benutzer an.

    2.2.8 Kalender mit Blätterfunktion
    Der für die Terminverwaltung vorgesehene Kalender sollte mehrere Blätterfunktionen (Wochen, Monate) sowie Direktsprung-Möglichkeiten zu bestimmten Terminen vorsehen.

    2.2.9 Aufgabenplanung
    Hierunter wird die Planung eines Tagesablaufes verstanden, die Fristen, Wiedervorlagen und Termine mit planbaren Zeitabschnitten ergänzt, so daß im Zusammenhang mit der Funktionalität eines Moduls zur Eingangspost-Bearbeitung eine Aufgabenliste erzeugt werden kann.

    2.2.10 Export- und Importfunktion für Termine
    Hier sollte zumindest ein verbreitetes Standardformat unterstützt werden.

    2.2.11 Archivierungsfunktion
    Zur Begrenzung des Datenvolumens sollte eine Archivierungsfunktion zur Verfügung stehen, die die getrennte Ablage von Fristen, Wiedervorlagen und Terminen ermöglicht, um das Datenvolumen zu begrenzen. Bei kleineren Datenmengen (bis ca. 1 Megabyte) kann jedoch auf diese Funktion verzichtet werden.

    2.2.12 Erweiterte Auswertungsmöglichkeit
    Für steuerliche Zwecke ist eine personenbezogene Auswertung von Kanzlei-Abwesenheiten hilfreich.