Der rasante Fortschritt der Informationstechnik in den letzten Jahren, die preiswerte Verfügbarkeit immer größerer elektronisch aufbereiteter Datenbestände mit juristischen Informationen (z. B. Entscheidungen, Gesetzestexte, Aufsätze, Kommentare) und nicht zuletzt das steigende Bedürfnis der Juristen nach aktuellen, sofort verfügbaren Informationen haben zu einem Markt für texterschließende, juristische CD-ROM in verschiedensten Facetten geführt.

Der inzwischen auf diesem Sektor zu beobachtende -teilweise dramatische- Preisverfall darf den Blick nicht dafür verstellen, daß brauchbare juristische CD-ROMs, inklusive der anfallenden Nebenkosten wie der Modernisierung oder gar der Anschaffung von entsprechenden PCs, immer noch eine deutliche Investition darstellen, wobei jedoch der größte Aufwand in der Einarbeitung bis zur vollen Erschließung der Produktleistung besteht.

Der Arbeitskreis “Softwarebewertung” des EDV-Gerichtags hat deshalb 1997 die Grundlagen der Bewertung von texterschließenden CD-ROMs diskutiert (mit Referaten von Gutdeutsch, Haarpaitner, Moritz und Müller). Im folgenden Jahr wurde dann auf der Grundlage eines von Rechtsanwalt Norman Müller für die Beratung von Anwaltskanzleien entwickelten Katalogs von den Mitgliedern des Arbeitskreises ein Kriterienkatalog erarbeitet, der im EDV-Gerichtstag 1998 unter Leitung von RiOLG Gutdeutsch und Prof. Moritz diskutiert und mit geringen Änderungen verabschiedet wurde.

Der Standard richtet sich mit seinen Kriterien vor allem an potentielle Nutzer entsprechender CD-ROMs, denen damit Auswahlkriterien an die Hand gegeben werden sollen sowie an Autoren und Rezensenten von CD-ROM Produkten um die Objektivität der Bewertungen zu befördern. Auch für die Hersteller entsprechender Produkte kann er Anregungen für die Produktplanung und -verbesserung geben.

Der Saarbrücker Standard zur Bewertung texterschließender, juristischer CD-ROMs knüpft an den bereits auf dem 4. EDV-Gerichtstag 1995 verabschiedeten 2. Saarbrücker Standard zur Bewertung von Software an. Er ergänzt diesen allgemeinen Standard um einen neuen Hauptgliederungspunkt A, in dem so spezifische Fragen wie die Transparenz und Aufbereitung des Datenbestandes von texterschließenden juristischen CD-ROMs behandelt werden. Außerdem modizifiert und ergänzt er die “Allgemeinen Funktionsmerkmale” aus dem 2. Saarbrücker Standard um die für CD-ROM wichtigen Fragen wie Suchmethoden und -funktionen. Im übrigen nimmt dieser Standard weitgehend die bereits aus dem allgemeinen Standard bekannten allgemeinen Punkte auf, z.B. die Integration in vorhandene Hard- und Softwareumgebungen und die Investitionsssicherheit. Hier wurden lediglich an solchen Stellen Änderungen vorgenommen, wo einzelne Fragen für juristische CD-ROM-Datenbanken ganz bestimmte, typische Ausprägungen haben.

An den hier vorgestellten Standard könnte inhaltlich ein Bewertungsschema (sog. Gewichtungskatalog) angeschlossen werden, z.B. auf der Basis eines Punktesystems, welches dann auch den unmittelbaren Vergleich verschiedener CD-ROM-Produkte ermöglichen könnte.

Bewertung texterschließender juristischer CD-ROMs

A. Transparenz und Aufbereitung des Datenbestandes

1. Inhaltliche Information

  • abgedeckter Themenbereich
  • Art und Anzahl der Dokumente
  • Umfang der Wiedergabe
  • Nachvollziehbarkeit der Auswahl
  • Aktualisierungszyklen
  • Zielgruppe des Produkts
  • vorgesehener Einsatzzweck
  • 2. Aufbereitung der Dokumente

  • Mediengerechte Aufbereitung der Dokumente
  • Strukturierung durch Hypertext
  • B. Besondere Funktionsmerkmale

    1. Suchmethode und -funktionen

  • Stichwortsuche im Volltext
  • Suche mit Normen
  • Suche mit formalen Despkriptoren
  • Schlagwortsuche
  • Registersuche mit formalen und inhaltlichen Deskriptoren
  • Rechtstrunkierung (z. B. mit ‘*’ rechts)
  • Maskierung mit Platzhaltern für einzelne Zeichen (z. B. ‘?’)
  • Operatoren UND, ODER, NICHT
  • Verwendung von Klammern zur Gestaltung von komplexen Suchanfragen
  • Volltextsuche in den gefundenen Dokumenten
  • nur nützlich:

  • Linkstrunkierung
  • kombinierte Trunkierung
  • Funktionen EXOR, NEBEN, NAHE etc.
  • Sachgebietsgliederung
  • Flexionsrückführung
  • Synonymbildung und -rückführung
  • Ähnlichkeitssuche (insb. phonetisch)
  • kontextsensitives Register
  • Bildung von Zwischenergebnissen und Untermengen
  • Speicherung der bisherigen Suchanfragen
  • 2. Hypertextfähigkeit

  • innerhalb der Dokumente
  • innerhalb der Datenbank dokumentübergreifend
  • nur nützlich:

  • datenbankübergreifend
  • Unterstützung des juristischen Gedankengangs, insbesondere der Subsumption durch die Hypertextstruktur
  • unverzerrte Abbildung des juristischen Wissens des Fachgebiets durch die Hypertextstruktur
  • 3. Ergebnisdarstellung

  • Ergebnislisten mit Inhaltsmerkmalen oder andere Kurzausgaben
  • Ergebnissortierung
  • Suche im Ergebnis
  • Markierung der Suchbegriffe im Dokument – Sprung zum Suchbegriff
  • genaue Zitierfähigkeit durch korrekte Seitenangaben
  • Dokumentausdruck einzeln oder in Listen
  • nur nützlich:

  • Umschalten zwischen Kurz- und Vollansicht
  • kumulative Zwischenablage
  • bei Parallelität zu Printmedium:
  • Druckbild und Bildschirmausgabe entsprechen Papiervorlage
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4. Anpassungs- und Ergänzungsmöglichkeiten

  • Anbringen von Anmerkungen
  • Übernahme der Anpassung in ein Update
  • nur nützlich:

  • Möglichkeit, die Datenbank zu bearbeiten (Hinzufügung von Daten oder Erweiterung der Hypertexstruktur)
  • C. Ergonomie

    1. Benutzerunterstützung

  • moderne Betriebssystemplattformen mit Maussteuerung, z.B. Windows
  • Druckvorschau WYSIWYG
  • Erinnerungsfunktion (history)
  • Lesezeichen
  • 2. Programmkonzept

  • Erwartungskonformität der Menüs und der Tastenbelegung (Einhaltung von Standards)
  • Fehlerrobustheit (Stabilität)
  • Grundeinstellung, Wiederherstellung der Ursprungszustands
  • 3. Hilfesystem

  • Online-Hilfe, kontextsensitiv, produkt- und fachbezogen
  • frühestmögliche Fehlermeldung bei Fehleingaben
  • nur nützlich:

  • Hilfestufen s. u.
  • 4. Benutzerdokumentation

  • Knappe schriftliche Anleitung
  • Ausdrucken der (eingehenderen) Online-Hilfe möglich
  • konkrete Angaben über Inhalt, Quellen und Stand des Datenbestandes
  • Fehlerregister und Hilfe bei der Bewältigung von Ausnahmesituationen
  • Anwendungsbeispiele
  • Erklärung der Register und Verzeichnisse
  • D. Integration

    1. Anwenderintegration

  • Schnittstellen zur Übergabe der Ergebnisse an andere Programme
  • Hypertextfähigkeit zu eigenen Verlagsprodukten
  • 2. Systemintegration

  • Systemvoraussetzungen
  • unterstützte Betriebssystemplattformen
  • Ablaufgeschwindigkeit (Maßstab: PC für ca. 2000 DM ohne Peripherie, 1 Jahr alt)
  • Netzwerkeinbindung
  • Übernahme der Daten auf Festplatte
  • Installationsprozeduren (u. a. Installationskomfort)
  • Uninstaller
  • Programm ausführbar von der CD-ROM
  • E. Investitionsschutz

    1. Produktmerkmale

  • Häufigkeit der Updates
  • Updateverpflichtungen
  • 2. Service

  • Hotline: vorhanden für technische und inhaltliche Fragen
  • tatsächliche Verfügbarkeit
  • fachliche Kompetenz
  • Kundenorientierung
  • Service auch nach Anpassung
  • nur nützlich:

  • Wartungsservice
  • Schulungsangebot